von Benjamin Fadavian (2014)
Die Erfindung des Papiers wird gemeinhin dem chinesischen kaiserlichen Beamten Ts‘ai Lun zugeschrieben, der um ca. 105 (n. Chr.) die Papierherstellung in der östlichen Han-Dynastie dokumentierte. Im Jahre 2015 wird die Menschheit jährlich ca. 440 Millionen Tonnen Papier herstellen (1). Und deshalb verwundert es auch nicht, dass Ts’ai Lun auf Rang 7 der einflussreichsten Persönlichkeiten der Menschheitsgeschichte platziert wird (2). Es könnte und sollte heutzutage jedoch ein politisches und administratives Ziel sein, die Relevanz des Herrn Lun jedenfalls insoweit zu begrenzen, als dass der Papierverbrauch nicht noch weiter erhöht wird. Hierbei sollte es nicht nur darum gehen, der Umwelt einen Gefallen zu tun. Ebenso gibt es rein praktische Erwägungen: Papier muss hergestellt, transportiert, gekauft, aufbewahrt, gedruckt, verschickt und auch archiviert werden, damit mit diesem Medium gearbeitet werden kann. Das geht auch einfacher – zum Beispiel digital.
Dennoch: Papier wird und soll nicht komplett aus den Büros verschwinden. Papier besitzt Haptik und verkörpert etwas Bleibendes. Der gedruckte Brief wird weiter verwendet werden, wenn er dem Gegenüber eine subjektiv höhere Relevanz der Botschaft ausdrücken soll.
Große Würfe sind jedoch zu erzielen, wenn im Massenverkehr auf unnötiges Papier verzichtet wird, insbesondere in formalisierten Verfahren bei dynamischen und aufbewahrenden Stellen – wie in der Verwaltung.
Ins Gerede ist hierbei das ersetzende Scannen kommen. Es geht schlicht darum, dass eine Stelle prüft, inwieweit sie Dokumente ersetzend scannen kann, d.h. inwieweit es möglich ist, nach einem Scan das Original zu vernichten. Der § 7 des E-Government-Gesetzes vom 25. Juli 2013 gibt hierbei bereits die Richtung vor (3), wenn er sagt:
(1) Die Behörden des Bundes sollen, soweit sie Akten elektronisch führen, an Stelle von Papierdokumenten deren elektronische Wiedergabe in der elektronischen Akte aufbewahren. Bei der Übertragung in elektronische Dokumente ist nach dem Stand der Technik sicherzustellen, dass die elektronischen Dokumente mit den Papierdokumenten bildlich und inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden. Von der Übertragung der Papierdokumente in elektronische Dokumente kann abgesehen werden, wenn die Übertragung unverhältnismäßigen technischen Aufwand erfordert.
(2) Papierdokumente nach Absatz 1 sollen nach der Übertragung in elektronische Dokumente vernichtet oder zurückgegeben werden, sobald eine weitere Aufbewahrung nicht mehr aus rechtlichen Gründen oder zur Qualitätssicherung des Übertragungsvorgangs erforderlich ist.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat überdies die TR RESISCAN (Technische Richtlinie für das Ersetzende Scannen) (4) herausgegeben, die das Ziel verfolgt, die Rechtssicherheit im Bereich des ersetzenden Scannens zu steigern. Es ist jedoch fraglich, ob diese Rechtssicherheit in jedem Gebiet tatsächlich erreicht wird. Hierzu wurden gleichsam in Anlage R der Richtlinie unverbindliche rechtliche Hinweise veröffentlicht (5), die einen spannenden Überblick darüber geben, welchen rechtlichen Rahmenbedingungen ein jeweiliges ersetzendes Scannen unterläge – je nachdem, welcher Dokumententyp einschlägig ist. Dies wird beispielhaft anhand von Gerichtsakten, Verwaltungsunterlagen, Sozialversicherungsunterlagen, medizinischen Dokumentationen, kaufmännischen Buchführungsunterlagen, Besteuerungsunterlagen und Personalakten dargestellt. Diese müssen jeweils einer Schutzbedarfsanalyse anhand feststehender Kriterien unterzogen werden.
Auffällig sind hierbei unter anderem die Ausführungen zum ersetzenden Scannen von Personalakten im Rahmen der Bundesverwaltung. Zwar wird nachvollziehbar dargelegt, dass eine parallele Aktenführung in Papierform und in elektronischer Form wohl kaum dem Ansinnen des Gesetzgebers entsprechen dürfte, gleichwohl kann dem Bundesbeamtengesetz eine eindeutige Erlaubnis zur Vernichtung beweisrelevanter Urkunden der Beamtin oder des Beamten nicht entnommen werden. § 113 IV BBG deute vielmehr auf das Gegenteil hin. Es werde daher empfohlen, in § 106 BBG das ersetzende Scannen ausdrücklich zu erlauben.
Nun kann unter diesen Umständen auf dem Gebiet des ersetzenden Scannens von Personalakten kaum von Rechtssicherheit gesprochen werden. Der Gesetzgeber ist daher gefordert, für Klarheit zu sorgen, damit der Anwender eindeutig nachvollziehen kann, wann ersetzendes Scannen zulässig ist und wann nicht.
(1) http://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/papierverbrauch/zahlen-und-fakten/ (09.10.2014)
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Die_100 (09.10.2014)
(3) Ein Minikommentar zum eGovG findet sich auf der Seite des BMI unter http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/OED_Verwaltung/Informationsgesellschaft/egovg_minikommentar.pdf%3Bjsessionid%3D287954C656A017C136385DCB72CE0E32.2_cid295?__blob=publicationFile (09.10.2014).
(4) https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Publikationen/TechnischeRichtlinien/TR03138/TR-03138.pdf?__blob=publicationFile (09.10.2014).
(5) https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Publikationen/TechnischeRichtlinien/TR03138/TR-03138-Anlage-R.pdf?__blob=publicationFile (09.10.2014)
(6) ebenda